Im Laufe Ihrer Karriere haben Sie in verschiedenen Technologiebereichen gearbeitet. Wie beeinflusst Ihre Erfahrung in der IT Ihre Arbeit bei TRATON Charging Solutions?

Ich habe ein starkes Interesse an unserer vernetzten Welt und daran, wie alles in einer digitalen Umgebung miteinander verbunden ist. Bei TRATON Charging Solutions geht es darum, Kunden und ihre Fahrzeuge mit der Ladeinfrastruktur zu verbinden, also Hardware und Software zu kombinieren und sowohl die Versorgung der Fahrzeuge mit Strom als auch die damit verbundenen finanziellen Transaktionen über unsere Serviceplattform abzuwickeln. Aus diesem Grund gehören zu unserem Team unterschiedliche Experten aus den Bereichen Laden von Elektrofahrzeugen, Finanzdienstleistungen, Technologie und Betrieb. Dabei ist es mein Ziel, die Kluft zwischen den verschiedenen Fachgebieten zu überbrücken und sicherzustellen, dass jeder seine Rolle im Team versteht und den Zusammenhang seiner Aufgabe mit den übergeordneten Teamzielen erkennt. Diese Blickrichtung ist grundlegend für ein kohärent und aufeinander abgestimmt agierendes Team, das auf gemeinsame Ziele hinarbeitet – insbesondere in einem digitalen Kontext, in dem alles auf technischer Basis zusammenhängen muss.

Wie würden Sie die Aufgabe von TRATON Charging Solutions als neu gegründete Serviceeinheit innerhalb der TRATON GROUP beschreiben?

Die TRATON GROUP hat TRATON Charging Solutions vor einem Jahr basierend auf einer Idee von Scania gegründet, um den Umstieg der Kunden auf batterieelektrische Nutzfahrzeuge zu erleichtern. Anstatt dies nur für eine Marke anzustreben, geht es uns darum, eine konzernweite Serviceeinheit zu entwickeln, die von allen TRATON-Marken genutzt werden kann. Ziel ist es, den elektrischen Nutzfahrzeugverkehr zu vereinfachen, indem Vertragsabschluss, Abrechnung und Lademöglichkeiten aus einer Hand angeboten und Nutzungsdaten dieses nahtlosen Ladeerlebnisses ausgewertet werden. Darüber hinaus ist es natürlich unser Ziel, einen erstklassigen Ladeservice anzubieten.

Jetzt, ein Jahr später, ermöglichen wir Scania, seinen Kunden den Zugang zu einem umfassenden Ladenetz in zwölf Ländern zu verschaffen, dessen Standorte wir kontinuierlich auf ihre Eignung für Lkw überprüfen. Wir haben unseren ersten direkten Vertrag mit Milence unterzeichnet, dem Joint Venture von TRATON GROUP, Daimler Truck und der Volvo Group. Mit diesem Betreiber von Ladestationen (CPO = Charge Point Operator, verantwortlich für den operativen Betrieb von Ladepunkten) verfolgen wir das Ziel, in Europa eine erstklassige Abdeckung bei der Ladeinfrastruktur für Nutzfahrzeuge zu erreichen. Darüber hinaus führen wir derzeit Gespräche mit weiteren CPOs, um das Netzwerk zu erweitern und sowohl den aktuellen als auch den zukünftigen Bedarf an Elektromobilität abzudecken. Unser nächster großer Schritt besteht darin, MAN-Flottenkunden in unsere Dienste einzubinden.

Warum erleben die Kunden bisher keine nahtlose Verbindung zwischen Ladenetzen und Zahlungssystemen?

In der Vergangenheit mussten die meisten Fahrer von Elektrofahrzeugen mit mehreren Lade-Apps arbeiten, was im professionellen Bereich unpraktisch ist. Bei TRATON Charging Solutions bauen wir einen gemeinsamen Backend-Service auf, den unsere Marken auf den Markt bringen können, wobei wir unabhängig von einer Fahrzeugmarke die Verbindungen zu den wichtigsten Ladestationen und CPOs herstellen. Das bedeutet, dass die Fahrer nicht zwischen verschiedenen Diensten und Apps hin- und herwechseln müssen oder auf eine oder zwei markengebundene Ladestationen beschränkt sind, sondern nahtlos überall batterieelektrisch fahren können, wo sie wollen.

Was die Zahlungssysteme betrifft, so werden wir über die Apps hinaus noch bedeutende Entwicklungen sehen. Amerika ist zum Beispiel bei Kreditkartenzahlungen schon viel weiter, eine Entwicklung, die jetzt auch nach Europa kommt. Transportunternehmen benötigen eine Softwarelösung, die es möglich macht, dass sich der Flottenmanager im Büro mit seinen Fahrern auf der Straße verbindet und alle Zugang zu einem gemeinsamen Konto haben. Dieser Prozess ist strukturierter und beinhaltet, dass die Rechnungen direkt an den Manager gesendet werden. Eine solche professionellere Dienstleistungsstruktur wird in allen Märkten, auch in Amerika, entstehen. Diese Konzepte, die gleichzeitig einfacher und anspruchsvoller sind, müssen alle Bedürfnisse erfüllen.

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Per App werden sowohl das Aufladen des Lkw als auch die Zahlungen strukturiert abgewickelt – und zwar mit einem zusammengefassten monatlichen Betrag, der den Flottenmanagern in Rechnung gestellt wird. Um den Service zu nutzen, muss lediglich mindestens ein Scania- oder MAN-Lkw zum Fuhrpark des Kunden gehören.

Wie versucht TRATON Charging Solutions dies zu ändern? Welche Vorteile gibt es für die Kunden?

Unser Service zielt darauf ab, den Fahrern Zugang zu einer Vielzahl von Ladestationen und CPOs zu geben. Auf diese Weise können sie auf dem Weg zu ihrem Ziel überall dort anhalten, wo sie es möchten.

Derzeit gibt es viele unterschiedliche Beteiligte, die für die Fahrzeuge, die Ladestationen oder die damit verbundenen Dienstleistungen verantwortlich sind. Mit TRATON Charging Solutions werden sowohl das Aufladen als auch die Zahlungen strukturiert abgewickelt – und zwar mit einem zusammengefassten monatlichen Betrag, der den Flottenmanagern in Rechnung gestellt wird, unabhängig von der Marke des Fahrzeugs.

Können Sie bitte erklären, wie TRATON Charging Solutions den Mehrmarkenflotten, einschließlich Marken außerhalb der TRATON GROUP, den Zugang zu ihre Ladenetzwerk erleichtert?

Der Service ist für alle Marken auch außerhalb der TRATON GROUP offen, somit wird unser Angebot zur perfekten Lösung für Kunden mit Mehrmarkenflotten. Die Dienstleistungen von TRATON Charging Solutions sind nicht fahrzeugspezifisch, sie basieren auf Standards für Ladestationen.

Um den Service zu nutzen, müssen die Kunden derzeit eine RFID-Karte verwenden (ausgefeiltere Ansätze wie „Plug and Charge“ sind gerade in Vorbereitung). Ansonsten gibt es nur eine einzige Voraussetzung: Mindestens ein Scania- oder MAN-Lkw muss zum Fuhrpark des Kunden gehören.

Wie ist der Zusammenhang  zwischen TRATON Charging Solutions und dem Joint Venture Milence, in das die TRATON GROUP, Daimler Truck und Volvo Group investiert haben?

Milence ist ein großartiger Ausgangspunkt für uns, und es ist ermutigend, dass dieses Joint Venture plant, in den kommenden Jahren 1.700 Ladestationen in ganz Europa zu bauen. Wie bei allen anderen Ladepunktanbietern werden unsere Nutzer auch Zugang zu Milence-Stationen haben, sobald diese verfügbar sind. TRATON Charging Solutions ist bereits Teil eines Netzwerks, das eine ganze Reihe von Ladepunktbetreibern abdeckt, und so können wir unsere Dienste bisher in zwölf Ländern anbieten. Wir planen bis Ende 2024 fünf weitere europäische Länder hinzuzufügen und bis 2025 den Rest der EU abzudecken. Insgesamt werden wir neben den Ladestationen von Milence in allen Ländern, in denen wir aktiv sind, Tausende weitere Ladestationen anbieten.

Können Sie erläutern, wie TRATON Charging Solutions mit Industriepartnern zusammenarbeitet, um skalierbare und zuverlässige Technologielösungen für den Übergang von klassischen Flotten mit Verbrennungsmotor hin zu kommerziellen batterieelektrischen Fahrzeugen – BEVs – zu entwickeln?

Einer der Ansätze von TRATON ist es, sich für neue Partnerschaften zu öffnen und mehr mit externen Lieferanten zusammenzuarbeiten sowie neue Geschäftsmodelle in dem Transportökosystem rund um das Fahrzeug selbst zu entwickeln. Hier kann TRATON Charging Solutions eine entscheidende Rolle spielen.

Als Teil eines Ökosystems, das von vielen Akteuren abhängt, und als großer Fahrzeughersteller, wollen wir durch die Zusammenarbeit mit anderen Marktteilnehmern Standards vorantreiben, insbesondere in Bezug auf Buchungsmöglichkeiten und Datenstrukturen. Derzeit sind die Daten, die zwischen Ladestationen und MSP-Diensten (Managed Service Provider) ausgetauscht werden, eher für Pkw relevant – daher möchten wir, dass in Zukunft auch Lkw-bezogene Daten an Ladestationen berücksichtigt werden. Wir beteiligen uns an Netzwerken, in denen wir untersuchen, wie wir solche an Lkw angepassten Point-of-Interest-Daten (POI) optimieren können.

Welchen Rat würden Sie jungen Frauen geben, die eine Führungsposition im Nutzfahrzeug- und Logistikbereich anstreben?

Im Laufe meiner Karriere habe ich gelernt, dass man seine Fähigkeiten und Begabungen in einer Reihe von Märkten und Themengebieten einsetzen kann. Ich bin stolz darauf, dass ich mich in verschiedenen Branchen etabliert habe, indem ich unterschiedliche Strategien entwickelt sowie Teams und digitale Dienste aufgebaut habe.

Jetzt bei TRATON möchte ich die hier arbeitenden Frauen inspirieren. Da ich noch recht neu in der Transportbranche bin, sind meine Ratschläge eher allgemeiner Natur. Ich denke, es ist wirklich wichtig, Wissen zu honorieren. Man muss ein Verständnis für die Themen entwickeln, über die man sprechen will, indem man so viel wie möglich lernt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mir das in meiner Laufbahn sehr geholfen hat.

Und um noch einmal auf den Anfang dieses Gesprächs zurückzukommen: Es ist wichtig zu bedenken, dass jeder im eigenen Umfeld über einen Teil dieses Wissens verfügt. Es gilt also sich bewusst zu machen, jedem im Umfeld zuzuhören, nicht nur anderen Führungskräften. Und zwar überall, egal, wo man landet. Außerdem ist es wichtig, dass wir als Manager erkennen, dass wir die nächste Generation von Führungskräften heranziehen; daher ist es von entscheidender Bedeutung, die eigenen Führungsfähigkeiten zu entwickeln und irgendwann damit zu beginnen, andere aufzubauen und nicht nur sich selbst. Wer aufhört, sich weiterzuentwickeln, wird auch die Mitarbeitenden nicht mehr weiterentwickeln. Es heißt also: neugierig und aufgeschlossen bleiben!